Die Anfänge
Am 26. Mai 1901 wurde das erste Indian Motocycle der Öffentlichkeit vorgeführt. Es hatte einen verbesserten
DeDion Motor mit 213 ccm. Der Motor war mit nach hinten geneigtem Zylinder in einem verstärkten Fahrradrahmen
eingebaut. Die Gründer der Motorradmarke Indian waren George Mallory Hendee und Carl Oscar Hedstrom.
George Mallory Hendee
George M. Hendee wurde am 2. Oktober 1866 in einem Vorort von Boston, Massachusetts geboren. Bereits in seinem
16. Lebensjahr begann er mit dem Hochrad Rennen zu fahren. Im Jahr 1886 gewann er den "United States National
Amateur High Wheel Championship". Diesen Titel verteidigte er bis in das Jahr 1892, dann wechselte er in das
Radfahrer-Profilager. Nach 3 Jahren als Radrennfahrprofi betägte er sich als Verkäufer für verschiedene
Fahrradhersteller, bis er im Jahre 1896 mit seinem Partner Edward E. Nelson in Springfield, Massachusetts die
Fahrradfabrik Hendee & Nelson Manufacturing Company gründete. Die Fahrräder wurden als "Silver King" und
"Silver Queen" vermarktet. Kurze Zeit später stieg Partner Nelson aus und die Firma wurde umbenannt in
Hendee Manufacturing Company.
Carl Oscar Hedstrom
Carl O. Hedstrom wurde am 12. März 1871 in Lönneberga im schwedischen Smoland geboren. Im Alter von 9 Jahren
wanderte er mit seinen Eltern in die USA aus. Dort ließen sie sich im New Yorker Stadtteil Brooklyn nieder.
Schon in seiner frühen Jugend entwickelte er eine große Leidenschaft zu Hochrädern. Nicht nur das Fahren
derselben, sondern auch die Technik begeisterte ihn. Nachdem er mit 16 Jahren die Schule abgeschlossen hatte,
begann er eine Lehre in einer Schlosserei. In der Lehre und den Jahren darauf eignete er sich viel Wissen über
Werkzeugmaschinen, Schmiedetechnik und Modellbau an. In seiner Freizeit nutzte er dieses Wissen, um Fahrräder
für den Renn- und Alltagseinsatz zu perfektionieren. Durch diese Tätigkeit kam Hedstrom auch mit
Schrittmachermaschinen in Kontakt. Diese Motorräder wurden in Steher-Radrennen eingesetzt. Leider waren die
Motoren zu dieser Zeit nicht sehr zuverlässig. So kam es vor, dass es durch einen Ausfall des Motors zu
schweren Stürzen kam. Hedstrom verhalf einer solchen Schrittmachermaschine mit seinen Modifikationen zu einer
sehr großen Zuverlässigkeit.
Die ersten Jahre
Dem gemeinsamen Interesse an Zweirädern und Radrennen war es zu verdanken, dass sich George M. Hendee und
Carl O. Hedstrom auf der Rennstrecke kennenlernten und im Herbst 1900 beschlossen, ein technisch überlegenes
Motorrad zu konstruieren, zu produzieren und zu vermarkten. Hedstrom übernahm in der Hendee Mfg. Co den Posten
des Chefingenieurs und war für Konstruktion und Entwicklung zuständig. Innerhalb von nur einem viertel Jahr
konstruierte und baute er auf der Basis eines "Silver King" Fahrrades ein wechselgesteuertes
Einzylinder-Motorrad, mit dem es bei der Präsentation im Mai 1901 gelang, genügend Investoren zu überzeugen,
Firmenanteile zu kaufen, um mit dem Geld eine Serienproduktion zu starten. Bereits im ersten Produktionsjahr
wurden 147 "Indian Motocycles" verkauft. Durch die intensive Werbung von Hendee und vielen Erfolgen bei
Rennveranstaltungen erreichte die Marke schnell einen hohen Bekanntheitsgrad.
Die Boomjahre
Es folgten fette Boomjahre. Die Motorräder wurden kontinuierlich weiterentwickelt. Es wurde eine gefederte
Gabel eingeführt, der Hubraum des Einzylinder Modells wurde auf 311 ccm erhöht, 1904 wurden als Weltneuheit
Drehgriffe für Zündverstellung und Gas montiert. 1905 (vier Jahre vor der Konkurrenz aus Milwaukie)
präsentierte Hedstrom einen V2 Motor. Da die Räumlichkeiten in Hendees Fahrradfabrik nicht mehr ausreichten,
zog das Indianwerk 1906 in einen großzügigen Neubau in Springfields State Street um. 1907 wurde Charles
Gustafson eingestellt, um Hedstrom bei der Entwicklungsarbeit zu unterstützen. 1908 brachte Indian einen
verbesserten V2 Motor auf den Markt. Er hatte 632 ccm Hubraum und statt der bisher eingesetzten Schnüffelventile
wurden die Einlassventile jetzt mechanisch angesteuert.
Nachdem im Jahr 1914 die "Hendee Special" mit 1.000 ccm V2, Elektrostarter, Vorder- und Hinterradfederung
floppte, zog sich Hedstrom aus dem Unternehmen zurück und übergab den Posten des Entwicklungschefs an Gustafson.
Charles Franklin wurde der neue Chefingenieur. 1916 zog sich Hendee aus der Geschäftsführung zurück.
Die ersten Seitenventiler
Die 1916 erschienene "Powerplus" war eine Entwicklung von Charles Gustafson. Der Motor war jetzt seitengesteuert
(eine Bauweise, mit welcher der von Reading-Standard kommende Gustafson vertraut war) und hatte einen Hubraum
von 1.000 ccm. Im Jahr 1920 folgte die Scout mit 600ccm. Sie wurde von Charles Franklin entwickelt und
war von Beginn an ein großer Erfolg und technisch
ihrer Zeit voraus: Motor und Getriebe waren als Einheit mit einem Primärkasten aus gegossenem Aluminium
verblockt. Die Konkurrenz aus Milwaukie sorgte mit Primärantriebskästen aus Blech noch weit nach dem II.
Weltkrieg für die kontinuierliche Asphalt-ölung. Mit dem Erscheinen der ebenfalls mit einer verblockten
Motor-Primär-Getriebe-Einheit aufwartenden Chief (1922) wurde die bis 1924 weiter gebaute Powerplus in Standard
umbenannt, um nicht der Anschein zu erwecken, dass die neue Chief über weniger Leistung verfügte als die
bekannte Powerplus. 1923 kam zusätzlich zur 1.000 ccm Chief eine mit 1.200 ccm auf den Markt. Diese wurde
hauptsächlich in Gespannen eingesetzt und Big Chief genannt. Ebenfalls im Jahr 1923 wurde die "Hendee Mfg. Company"
in "Indian Motocycle Company" umbenannt. Von 1925-1928 produzierte das Werk die Prince
als Einstiegsmodell mit einem 350 ccm Einzylinder Viertaktmotor, Blechprimärkasten und Parallelogramm-Gabel
statt der üblichen Blattfeder-Gabel. Ab dem Jahr 1927 konnte man die Scout auch mit einem 750 ccm Motor
bestellen, welcher gegenüber der weiter gebauten 600er eine erstaunliche Steigerung von
Höchstleitung und Drehmoment aufwies. In diesem Jahr wurde Louis E. Bauer Präsident der Firma. Indian kaufte
die insolvente Marke Ace samt der kompletten Produktionsanlagen, die in Chicago demontiert und in Springfield
installiert wurden. Ace hatte seit 1922 technisch anspruchsvolle Luxus-Motorröder mit einem längs eingebauten
1.265 ccm Reihenvierzylinder gebaut. Die zunächst Indian "Ace" genannte Maschine wurde ab 1928 in "Four"
umbenannt. Indian hatte dieses Topmodell bis 1942 im Programm. 1928 wurde die Produktion der 1.000 ccm Chief
eingestellt und die Scout bekam ein neues, deutlich besseres Fahrwerk. Sie hieß nun Scout 101 und wurde bis
1931 hergestellt.
Die erste Krise
Unter Bauers Führung weitete Indian das Produktsortiment erheblich aus. Es wurden u.a. Außenbordmotoren für
leichte Motorboote, Zubehörstoßdämpfer für Blattfedern und sogar einige Auto-Prototypen hergestellt. Die
Firmenstrategie "Produktdiversifikation" war nicht nur mäßig erfolgreich, sie manovrierte die Indian Company
geradewegs weiter in die Krise. Erst als der Spross des Farbenimperiums E. Paul duPont 1930 die Aktienmehrheit
erhielt, konzentrierte man sich bei Indian wieder auf das Kerngeschäft Motorradbau. Trotzdem litten unter der
anhaltenden Weltwirtschaftskrise auch die Motorradverkaufszahlen. Daher wurde 1932 ein striktes
Kostensenkungsprogramm implementiert. welches das Ende für die Scout 101 bedeutete. An ihre Stelle trat die
Standard Scout. Bei diesem Motorrad wurde der Scout-Motor in einen Chief-Rahmen eingebaut. Etwas später wurde
als neues Einstiegsmodell die Scout Pony mit 500 ccm V2 Seitenventiler ins Programm aufgenommen. Sie hatte
Chassis und Blechprimärkasten von der Prince geerbt und wurde bis in das Jahr 1941 als Junior Scout und zum
Schluss als Thirty-Fifty verkauft.
Die Vorkriegsjahre
Als Ersatz für die leistungsfähige 101, die Standard Scout war für sportliche Nutzung zu schwer, wurde 1933 für
nur ein Jahr die Motoplane mit 750 ccm auf Basis der Junior Scout angeboten. Als völlig neue Entwicklung wurde
1934 die Sport Scout präsentiert. Sie wartete mit einer verstärkten Parallelogramm-Gabel auf, bot wieder den
gewohnten gegossenen Aluminium-Primärkasten und hatte einen erheblich stabileren Rahmen als die Prince-basierte
Junior Scout. Obwohl sich die Sport Scout nie in den Stückzahlen verkaufte, wie die ganz frühen Scout und die
Scout 101, sorgte sie in Milwaukie für lange Gesichter, weil sie in Motorradrennen die populäre 750er Klasse
(Class C) jahrelang beherrschte. Indian ließ es sich nicht nehmen, die Renn-Dominanz in der Werbung gebührend
zu feiern. Der Glanz der vielen Sport Scout-Siege half natürlich auch beim Verkauf der anderen Modelle. Noch
in der Rennsaison 1954 trug eine Sport Scout als Vorjahressieger die Startnummer 1. Die Sport Scout blieb wie
die Four bis 1942 im offiziellen Programm. 1948 wurde mit der Big Base- oder Daytona Sport Scout noch einmal
eine auf 50 Stück limitierte Kleinserie für den Renneinsatz gebaut.
Die Kriegsjahre
Im März 1942 endete für die Dauer des Krieges die Produktion von Maschinen, die von Zivilpersonen gekauft werden
konnten. Schon vor dem Eintritt der USA in den Krieg nach dem Angriff der Japaner auf Pearl Harbor im Dezember
1941 hatte Indian einige Tausend Motorräder für die Armeen Frankreichs und Englands produziert. Insbesondere
England verlangte Motorräder mit 500 ccm und so wurde auf Basis der Sport Scout mit Motorinnereien der Junior
Scout das 500 ccm Modell 741 konzipiert, von dem bis 1944 mehr als 30.000 Stück gebaut wurden. Darüber hinaus
produzierte der Wigwam für den Kriegseinsatz mehrere Tausend Chiefs (viele davon mit Seitenwagen). 1941 baute
Indian im Auftrag des Pentagon 1.000 Stück vom Modell 841. Dies war eine seitengesteuerte 750er mit quer
eingebautem 90 Grad V2, Kardanantrieb, Handkupplung und Fußschaltung. Kaum jemand erinnerte sich daran, als
Moto Guzzi Mitte der 60er Jahre die konstruktiv der 841 sehr ähnliche V7 (allerdings kopfgesteuert)
präsentierte. Insgesamt produzierte Indian von 1942 bis ´45 etwa 39.000 Motorräder. Da mit einer deutlich
längeren Dauer des Krieges gerechnet worden war, hatte Indian überdies auf der Basis von Kontrakten mit dem
Pentagon eine sehr große Menge an Ersatzteilen hergestellt. Unglücklicherweise waren die Verträge mit dem
Pentagon nicht wasserdicht verhandelt. Zudem hatte Indian kurz vor Kriegsende ein neues Warenwirtschaftssystem
von International Business Machines (bekannter unter den Initialen) installiert und bei der Umstellung gingen
leider viele Belege verloren. Nach Kriegsende saß Indian bei den Verhandlungen mit dem Pentagon zur Bezahlung
bestellter und produzierter Ersatzteile also am kürzeren Hebel.
Die letzten Jahre
Die Produktion für den zivilen Motorradmarkt wurde erst 1946 wieder aufgenommen. Zunächst wurde lediglich die
Chief angeboten. Sie erhielt die Parallelogramm-Gabel der 841. E. Paul duPont hatte seine Aktienmehrheit 1945
an eine Investorengruppe unter der Führung von Ralph B. Rogers verkauft. Dieser war überzeugt, dass sich das
US-Publikum nach leichten und mittelschweren Motorräder im europäischen Stil sehnte. Er ließ zwei Modelle mit
vertikal angeordneten
Zylindern (im englischen Sprachraum "Verticals" oder "Vertical Twins" genannt) entwickeln: Die Arrow mit
220 ccm Einzylinder und die Scout mit 440 ccm Parrallel-Twin. Die beiden wurden von 1948 bis 1950 im Katalog
geführt. Für die Produktion war eigens auf der grünen Wiese in einem Außenbezirk von Springfield eine moderne
Fabrik gebaut worden. 1950 kam noch die Warrior mit einem auf 500 ccm vergrößerten Parallel-Twin dazu, die
bis 1951 gebaut wurde. Da die neuen Modelle unter hohem Zeitdruck entstanden waren, haperte es an der sonst
für Indian sprichwörtlichen Zuverlässigkeit. Die Kinderkrankheiten konnten nie ganz behoben werden und sprachen
sich rasch herum. Rogers wurde gefeuert und Indian geriet unter die Kontrolle der britischen Firma Brockhouse.
Als Ersatz für die Arrow wurde ab 1951 eine seitengesteuerte Einzylinder mit 250 ccm aus England importiert und
unter den Namen Indian Brave vermarktet. Die Brave wurde vom Publikum nicht als echte Indian akzeptiert und
konnte nicht den gewünschten Erfolg am Markt erzielen. Die Chief war durch den Fokus auf die verlustreichen
Vertical Twins vernachlässigt worden. Nachdem 1949 überhaupt keine Chiefs hergestellt worden waren, wurde ab
1950 die Fertigung am alten Wigwam-Standort in der State Street wieder aufgenommen. Sie erreichte aber nie
wieder das bis 1948 übliche zahlenmäßige Niveau. Die letzten Chief ab 1950 erhielten eine Teleskop-Gabel und
ab 1951 eine Hubraumvergrößerung auf 1.300 ccm. Aufgrund des enormen Drehmoments bei 122 mm Hub wurde ein
Ruckdämpfer auf dem Primärritzel installiert. 1953 wurden die letzten Indian Chiefs in Springfield,
Massachusetts produziert.
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