Wie ich zu meiner INDIAN kam ...
In den 80er Jahren arbeitete ich beim Messebau. Das hatte den Vorteil, dass
ich jeden Winter in der messefreien Zeit 3 Monate Urlaub hatte. Diese Zeit
nutzte ich, um als Rucksacktourist ferne Länder zu bereisen.
Eines Nachmittags saß ich in Venezuela in einem Cafe und hörte, wie sich am
Nebentisch zwei Leute im vertrauten bayrisch unterhielten. Ich setzte mich
dazu und alsbald kam das Gespräch auf´s Motorradfahren. Man erzählte
mir, ein nach Neuseeland ausgewanderter Freund habe ein altes
amerikanisches Motorrad nach Deutschland mitgebracht, um es zu
verkaufen. Es stünde in Freising bei seinem Bruder und ich könne es mir
dort ansehen. Da ich eine HD Knucklehead suchte (man möge mir
verzeihen), ließ ich mir die Telefonnummer geben und stand 2 Monate
später vor der Garage in Freising. Hier erwartete mich ein mir völlig
unbekanntes Unikum mit Militärlackierung,
ölverschmiert, rostig, verzollt
aber nicht fahrbereit, mit einem fremdartigen
Nummernschild. Ein Blick in
die Papiere belehrte mich, dass es sich
um eine INDIAN Scout 741 von 1943
handelte. Aha. Zwar hatte ich noch nie
eine INDIAN gesehen, aber dass es
etwas Besonderes war, war mir schon
klar.
Der Bruder des Eigentümers hatte 2
Jahre lang vergeblich versucht, die
Scout zuverkaufen, nun brauchte er
den Platz in seiner Garage. Zu meinem
Erstaunen forderte er mich auf, das
Krad samt Papieren mitzunehmen und
in München in seinem Auftrag zu
verkaufen - ohne mich jemals zuvor
gesehen zu haben...
Während der nächsten Jahre stand die
Scout in meiner Garage. Jeder
Versuch, sie zum Laufen zu bringen,
schlug genau so fehl, wie meinefloat
Verkaufsbemühungen. In München
waren langgabelige, verchromte HD´s
angesagt.
Langsam jedoch erwuchs mein
Interesse. Ich besorgte mir Literatur
und fand heraus, dass die Maschine
nahezu 100% original war. Ich wurde
Clubmitglied und spätestens nach dem
Besuch der INDIAN-Rally in Holland
war mir klar: Ich werde die Scout
behalten.
Kurze Zeit später erzählte mir ein Bekannter, er kenne jemand, der in seiner Hinterhofwerkstatt die Steilwand- INDIANs vom Oktoberfest repariere. Die Sache kam in Bewegung. Ich suchte den Mann, einen gewissen Peter S., auf und sagte zu ihm voller Begeisterung: Du, ich habe mir eine INDIAN gekauft! Seine staubtrockene Antwort war: „Herzliches Beileid“. Immerhin konnte ich ihn überreden, dass ich die Scout in seine Werkstatt bringen durfte und er sich´s mal anschauen wolle.
Dieser Schrauber entpuppte sich zwar als kompetent aber stinkfaul. Immerhin fand er im Laufe der Zeit heraus, dass Kolben, Zylinder, Kupplung, Vergaser, Lima sowie einige andere „Kleinigkeiten“ einer Überarbeitung bedurften. Bedingt durch sein Phlegma dauerte es allerdings 15 Monate, bis das Kraftrad endlich repariert, fahrbereit, geTÜVt und zugelassen war. An einem verregneten Sonntagmorgen wurde ich auf einem verwaisten Firmenparkplatz in die Geheimnisse von Fußkupplung, Tankschaltung und der Zündverstellung eingeweiht, dann war alles klar.
Bald entwickelte sich die Scout zu meinem Lieblingsmotorrad. Leider lief sie nicht so schnell, sodass ich damit keine weiteren Touren unternahm, sondern mich überwiegend im S-Bahnbereich bewegte.
Fast 10 Jahre blieb sie mir ein zuverlässiger Gefährte, stets bestaunt wohin ich auch immer damit kam. In all dieser Zeit habe ich sie nie geputzt, denn sie sollte aussehen, als ob sie gerade von der Front käme. Leider wurde sie im Lauf der Jahre immer langsamer, der Motor krachte, schepperte und rauchte und die Gänge begannen rauszuspringen. Kurzum, eine Generalüberholung stand an.
Ich baute Motor und Getriebe aus und zerlegte beides zusammen mit dem Chef einer Werkstatt im Ruhrpott. "Oh je, oh je", seufzte er jedesmal, wenn uns wieder ein völlig ausgelutschtes Teil entgegenkam.
Ich will es kurz machen. Etwa 5.000 DM hätten Motor- sowie Getriebeüberholung gekostet, leider war ich ziemlich pleite. Zufällig wusste der Werkstattinhaber gerade jemand, der eine Scout suchte und relativ gut zahlte, und so hieß es für mich schweren Herzens: Good bye Scout!
Peter Kummer